NOE-U – INDIVIDUELLES COACHING MEETS FREEDIVING

 

Wir sind immer auf der Suche nach Menschen, die sich mit Veränderung und Handlungsfähigkeit auseinandersetzen. Heute sprechen wir mit Thomas Ebert, Gründer von noe-u, der individuelles Coaching rund um persönliche Entwicklung, Achtsamkeit, Potentialentfaltung und Zukunftsgestaltung mit Freediving kombiniert.

SUMMER OF 2030 – AMELIE GR. DARRELMANN

Ich möchte das Interview gerne mit einer Körperreise beginnen. Was geht in dir vor, wenn du in die Tiefe abtauchst? Was fühlst und erlebst du dabei? 

NOE-U – THOMAS EBERT

Für mich gibt es kein intensiveres Erlebnis als das Abtauchen und Unterwassersein - für mich die intensivste Form der "Inner Journey". In der Regel habe ich die Augen geschlossen, nur mein inneres Auge ist voll auf meinen Körper und Geist gerichtet. Jeder unnütze Gedanke und jede Bewegung kostet Energie, also fokussiere ich mich absolut auf das Hier und Jetzt.

Einer der schönsten Momente ist das Verweilen bei ca. zehn Meter Tiefe. Dort ist in etwa der Punkt, an dem wir physikalisch “neutral" sind, d. h. wo es weder Auftrieb noch Abtrieb gibt und unser Körper quasi im Wasser schwebt. Ich spüre den Druck, meinen Herzschlag und vergesse dabei Raum und Zeit. Sobald es über diesen Punkt hinausgeht, sorgt der Abtrieb dafür, dass ich in den “Freefall” komme, d. h., dass ich automatisch sinke wie in einem Fahrstuhl. Mit geschlossenen Augen spüre ich lediglich am Seil, das durch die Hand gleitet, und am strömenden Wasser im Gesicht, mit welcher Geschwindigkeit ich in die Tiefe sinke.

Ich kann loslassen, weil ich gelernt habe, meinen Körper und dessen Reaktionen zu kennen und meinen Geist zu steuern. Ich kenne dabei meine Grenzen und habe absolutes Vertrauen in mich und meine:n Tauchbuddy.

SUMMER OF 2030 – AMELIE

Der Zustand in der Tiefe von zehn Metern fesselt mich. Der freie Fall macht mich neugierig und gleichzeitig ängstlich. Ich denke dabei an Kontrollverlust, der für mich mit den Wörtern Grenzen setzen und Vertrauen konnotiert ist. Wie hast du gelernt, in engen Kontakt mit dir, deinem Körper und deinen Mitmenschen zu gelangen und deine Grenzen dabei nicht zu überschreiten? 

NOE-U – THOMAS

Wenn ich ins Wasser gehe, dann ohne Angst, jedoch mit viel Respekt. Es beginnt eigentlich schon lange vor dem Abtauchen. Am Morgen schaue ich, wie ich mich fühle, wie wach und bereit mein Körper und Geist sind und wozu ich später in der Lage sein werde. Das Packen der Sachen und die Anfahrt sind ebenfalls bereits Bestandteile der Vorbereitung. Ich checke das Wetter, die Umgebung, das Wasser und natürlich spreche ich mit meinen Tauchbuddies. Sie spielen eine ganz wichtige Rolle im Zusammenhang mit Sicherheit und Vertrauen. Beides hat spürbare Auswirkungen auf die eigene Entspannung und Leistung. 

In unseren Trainings üben wir grundsätzlich erst einmal, uns an unsere Grenzen heranzutasten, bevor wir uns daran machen, sie zu verschieben. Dabei ist es manchmal gar nicht so einfach, genau zu sagen, ob eine Grenze erreicht wurde oder wie sich das überhaupt anfühlt. Unsere Atmung läuft als ein automatisierter Prozess in uns ab und wir schenken ihr im Alltag in der Regel sehr selten Aufmerksamkeit. Sobald wir versuchen, unsere Atmung bewusst zu unterdrücken, reagiert unser Körper darauf mit unterschiedlichen Reaktionen. Mit diesen setzen wir uns ganz bewusst auseinander. Zu Beginn dreht sich alles darum, den eigenen Körper und Geist zu verstehen, bevor wir ihn dann bewusst steuern können. Je besser ich die Sprache meines Körpers (z. B. Puls, Sauerstoffsättigung, Kohlendioxid, Blutkreislauf, Gehirn, Kontraktion des Zwerchfells usw.) verstehe, desto besser kann ich die Situation einschätzen, auf sie eingehen und es vermeiden, unnötige Risiken einzugehen. Durch Selbstüberschätzung, schlechte Vorbereitung oder dem Außer-Acht-Lassen von äußeren Faktoren, kann ich mich und meine:n Buddy unnötigen und nicht kalkulierbaren Risiken aussetzen. In diesem Fall kann es tatsächlich zu einem Kontrollverlust kommen. 

Im Laufe der Zeit habe ich nicht nur gelernt, meinen Körper und Geist zu verstehen und zu trainieren, sondern auch meine Sinne gegenüber meinen Tauchpartnerinnen und Tauchpartnern zu schärfen. Das beginnt mit einem achtsamen Zuhören in der Vorbereitungsphase. Hier merke ich recht schnell, wie mein Gegenüber drauf ist. Welche Erlebnisse es im Vorfeld gab, die eventuell einen Einfluss auf den Tauchgang haben können. Alle gewonnenen Erkenntnisse kann ich nutzen, um das Training oder den Tauchgang entsprechend zu gestalten und individuell auf mein Gegenüber einzugehen. Die Kommunikation im Wasser ist in der Regel sehr stark auf Handzeichen und Augenkontakt reduziert. Dies bedeutet wiederum, dass ich mich automatisch viel mehr auf die Körpersprache und die Augen meiner Buddy oder meines Buddies fokussiere.

Wie du siehst, es dreht sich unheimlich viel um Vertrauen und Achtsamkeit - sich und dem eigenen Umfeld gegenüber. Das Besondere ist, dass diese beiden Faktoren eine Form von Messbarkeit bekommen. Je mehr Vertrauen ich habe und je achtsamer ich bin, desto mehr kann ich loslassen und desto länger kann ich den Atem anhalten.

SUMMER OF 2030 – AMELIE

Die Prozesse, die im ganzen Körper und in Kommunikation mit deiner Umgebung vor, während und nach einem Tauchgang ablaufen, sind komplex und beeindruckend. Umso stimmiger ist es, dass du in deiner Arbeit als Organisationsentwickler, Coach und Zukunftsgestalter Freediving in deinen Ansatz einbeziehst. Wie sieht das in der Praxis aus?

NOE-U – THOMAS

Das Schöne an der Methode ist, dass es die Möglichkeit einer Praxisanwendung gibt und alle Themen wirklich greifbar, spürbar, messbar, erlebbar sind. Da es auf dem Markt nicht an Coaching-Angeboten mangelt, fokussiere ich mich bewusst auf eine Nische und schränke mich mit der Freediving-Kombi etwas ein.

Mit Menschen, die zu mir kommen und keine Berührungsangst vor Wasser haben, kann ich sofort starten. Es ist aber kein Muss. Viele Übungen sind absolut trockentauglich und können ohne Problem auch an Land stattfinden. Grundsätzlich besteht ein Coaching aus einer Kombination von methodischen (z. B. Arbeiten mit LEGO, U-Prozess, 4-Quadranten-Modell usw.) und praktischen Elementen (Freediving und Achtsamkeit). Natürlich hängt das Coaching stark von den Coaches und deren Themen ab. Das kann sehr individuell sein und je nachdem liegt der Schwerpunkt mehr auf dem methodischen oder dem praktischen Teil.

Da ich gern draußen in der Natur bin und darin viele Vorteile sehe, bin ich auch bestrebt, die Coachings nach Möglichkeit am Wasser durchzuführen. So lassen sich zum Beispiel die Pausen zwischen den praktischen Übungen im Wasser super nutzen, um z. B. Erlebtes, Gedanken oder auch Gefühle in kleinen LEGO-Sessions durch Storytelling thematisch zu reflektieren. Das “U” in noe-u bezieht sich auch auf einen methodischen Ansatz - der Theorie U von Otto Scharmer. Außer dass ich persönlich ein sehr großer Fan dieser Theorie bin, finde ich die Projektion auf das Freediving sehr passend. Da gibt es meiner Meinung nach so viele Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel das Auseinandersetzen/Vorbereiten am Anfang, das Abtauchen, Vertrauen, Loslassen, Grenzen/Blockaden, Ziele, Probieren und das unbeschreibliche Gefühl beim Auftauchen zum Licht. Wie du siehst, da ergeben sich unendlich viele schöne Möglichkeiten für eine Fokussierung auf bestimmte Themen und für eine individuelle Gestaltung von Coachings.

SUMMER OF 2030 – AMELIE

Das hört sich absolut stimmig an. Hinzu kommt, dass die vielfältigen Sinneseindrücke, das Rauschen des Meeres, Naturgeräusche, die Weite, Tiefe usw. die Aktivität des Parasympathikus stimulieren. Ein wichtiger Teil unseres Nervensystems, der für Erholung und Regeneration bis auf Zellebene verantwortlich ist. Darüber hinaus führt der reine Anblick der Natur, vor allem der Dinge, die für das urgeschichtliche Überleben wichtig waren (Wasser = Nahrung), zur Reduktion von Stresshormonen. Spielen diese Erkenntnisse ebenfalls eine Rolle in deiner Arbeit?

NOE-U – THOMAS

Wie du es bereits erwähnt hast, ist die Atmung ein wichtiger Teil unseres Nervensystems und zwar des vegetativen Teils, welcher für die Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Körperfunktionen verantwortlich ist. Das vegetative Nervensystem reguliert die Aktivitäten unserer Organe und passt deren Leistung bedarfsgerecht an. In diesem Zusammenhang spielen die unterschiedlichen Aktivitäten, bzw. das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus eine wesentliche Rolle bei Leistungsaktivitäten oder bei der Regeneration in Ruhephasen. Da wir uns überwiegend in einer leistungsorientierten Gesellschaft befinden, läuft unser Sympathikus ununterbrochen auf Hochtouren und das bedeutet Stress für Körper und Geist. Der Gegenspieler hingegen, der Parasympathikus, kommt dabei leider zu kurz, d. h. wir nehmen uns viel zu wenig Zeit für Ruhe und Erholung. Als Folge befindet sich unser Körper im Ungleichgewicht. Dauerhafter Druck immer Leistung bringen zu müssen und im Ausgleich keine Ruhephasen einzulegen, wirkt sich negativ auf unser Leistungspotential aus. Daraus können u. a. Schlafstörungen, Burn-out, Müdigkeit, Herzrasen, Panikattacken u. v. m. resultieren.

Als Freediving-Instructor oder -Instructress sind natürlich auch anatomische Kenntnisse gefragt und dabei beschäftigen wir uns neben dem Atemsystem auch mit dem Blutkreislauf und dem Stoffwechsel. Eine Besonderheit, welche das Ganze auch noch ein wenig interessanter macht, ist der Tauch-Reflex (oder auch Säugetier-Reflex). Hier kommen noch zusätzlich Rezeptoren in unserem Gesicht beim Eintauchen ins Wasser zum Einsatz und unser Körper reagiert auf unglaubliche Weise. Das Blut wird in die Körpermitte transportiert, dort gehalten und dient der Versorgung mit Sauerstoff unserer lebensnotwendigen Organe. Neben dem natürlichen Tauch-Reflex spielt auch der Druck eine wesentliche Rolle, genauer gesagt der Partialdruck von Sauerstoff und Kohlendioxid im Körper. Dies hat wiederum Einfluss auf den Parasympathikus, also dem Teil unseres Gehirns, welcher für die Regeneration zuständig ist. Um das Ganze ein wenig greifbar bzw. anschaulich zu machen, verwende ich beim Training und Coaching sehr gern ein Pulsoximeter zur Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts bzw. des Pulses. Dabei ist ein Puls von 50 und weniger in Ruhephasen keine Seltenheit (60 - 90 beträgt der Normalwert).

Im Augenblick befasse ich mich intensiver mit der bewussten Nasenatmung, genauer gesagt mit der Simulation von Höhentraining. Unsere roten Blutplättchen spielen dabei eine Hauptrolle. Bei Sauerstoffmangel oder Kohlendioxidüberschuss kommt unsere Milz als zusätzlicher Speicher von roten Blutkörperchen zum Einsatz und schleust diese in unseren Blutkreislauf. Das wiederum bedeutet zusätzlicher Sauerstoff, der unseren Organen zur Verfügung steht.

Du siehst, es ist unglaublich faszinierend, wozu unser Körper im Stande ist. Stell dir vor, welches Potenzial in jedem von uns steckt und was alles möglich ist, wenn wir anfangen und uns bewusst mit uns, unserem Körper und unserem Geist zu befassen.

SUMMER OF 2030 – AMELIE

Der richtige Zeitpunkt für eine Atemübung. Kannst du uns bitte eine spontane, einfache Atemübung für den Alltag mit auf den Weg geben? 

NOE-U – THOMAS

Ich sage es mal so, es gibt keinen falschen Zeitpunkt, um achtsam sich selbst gegenüber zu sein und bewusst zu atmen. Je öfter wir etwas in unseren Alltag einbauen, desto selbstverständlicher wird es für uns und wir schaffen damit auch eine gewisse Abhängigkeit. So gesehen, funktioniert das mit dem bewussten Atmen ebenso. Ich probiere es zum Beispiel auch beim Spazierengehen mit unserem Hund, auf dem Fahrrad oder beim Fitnesstraining und je mehr ich es in den Alltag integriere, desto präsenter ist es in meinem Bewusstsein.

Hier ein paar ganz einfache, aber sehr wirkungsvolle Übungen für den Alltag:

Einmal ganz bewusst einen ganzen Tag nur durch die Nase atmen, bei allen Tätigkeiten (so gut es geht).

Ganz bewusst den Bauch für das Atmen benutzen. Dazu kannst du dir im Liegen z. B. das Smartphone, einen Stein, egal was, auf den Bauch legen und dich auf das Gewicht fokussieren - beim Einatmen geht es zur Decke oder Himmel und beim Ausatmen sinkt es bis auf den Boden. Das Gewicht sollte dabei nicht zu leicht oder schwer sein, gerade so, dass du es wahrnimmst. 

Du als Surferin und Oceanloverin, stell dir die Atmung so vor, dass sie wie eine Welle durch deinen Körper geht. Sie startet im Bauch, geht über deine Flanken in den Brustkorb und vice versa. Das kannst du super im Bett praktizieren. Ein sehr schönes Einschlafmittel. 

Einfach die eigene Atmung einmal intensiver spüren, wahrnehmen und hören. Dazu kannst du z. B. alle Übungen mit Ohropax machen, das wirkt auf mich sehr beruhigend.

SUMMER OF 2030 – AMELIE

noe-u im Summer of 2030?

NOE-U – THOMAS

Mein Traum ist es, ein eigenes Erlebnis-BnB zu betreiben - eine Station für Achtsamkeit, Begegnung und Inspiration. Natürlich befindet sich das BnB am Meer. Daneben arbeite ich, wann immer ich es möchte und ich Lust darauf habe mit Organisationen und inspiriere und begleite sie bei deren Entwicklung. Kurz gesagt, ich bin frei.

(27.03.2021)

Instagram: Thomas Ebert

 
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